Artikel im Katholischen Sonntagsblatt 17. März 2019

Nicole Höfle

Ein Kunstwerk aus 2600 Bitten

2600 Bitten sind zusammengekommen. Alle hat die Stuttgarter Künstlerin, die sich „muche“ nennt in das Kunstwerk eingearbeitet, das seit dem ersten Fastensonntag in der Kirche St. Georg in Stuttgart zu sehen ist. Die sieben auf sieben Meter große Installation zeigt ein rotes Herz und ein Kreuz und hängt vor dem großen Altarmosaik. In der Mitte scheint der Jesus des Mosaiks durch.

„Kirche lebt von der Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft ist auch in das Kunstwerk eingeflossen, das überhaupt nur entstehen konnte, weil sich viele Menschen beteiligt haben“, sagt die 45 Jahre alte „muche“, die eng mit St. Georg verbunden ist.

Grundlage des Kunstwerkes sind 2600 Faltkarten, gestaltet in vier verschiedenen Grau- und vier verschiedenen Rottönen.

Die Karten lagen zwischen dem ersten Advent und Mariä Lichtmess in drei Stuttgarter Innenstadtkirchen aus — mit der Einladung, darauf ganz persönliche Bitten, ein Gebet oder Dankesworte zu schreiben oder zu malen. Damit es für jeden ein persönliches Anliegen vor Gott bleiben konnte, waren farblich passende Klebepunkte beigelegt, mit denen jeder seine Karte versiegeln konnte. Die meisten der 2600 zurückgeschickten Karten kamen aus Stuttgart und der Region, einige wenige sogar aus Paris. „Am Schluss sind noch viele Menschen bei mir zu Hause vorbeigekommen, um ihre Bitten abzugeben und noch Teil des Kunstwerks zu werden“, erzählt „muche“, die von dem enormen Rücklaufüberwältigt ist.

Gebete und Bitten als Mosaiksteine des Werks Die Karten sind wie Mosaiksteine, aus denen das Kunstwerk zusammengesetzt ist. Die Stuttgarter Künstlerin hat in mühevoller Kleinarbeit, die meiste Zeit auf den Knien und selbst überrascht von den Dimensionen, eine Karte nach der anderen in vorher selbst zusammengenietete Fototaschen eingesteckt.

»Es war mir wichtig, jede Karte einmal in die Hand zu nehmen und sie an den passenden Platz zu bringen. Die Arbeit an dem Kunstwerk war für mich an manchen Tagen wie ein Gebet, an anderen wie eine Meditation“, erzählt sie.  Geöffnet hat sie die Karten freilich nicht. Diese bleiben auch weiterhin verschlossen, bis sie dann im nächsten Frühjahr dem Osterfeuer als dem Symbol der Erneuerung und des Lichts übergeben werden. Jetzt aber sind die Karten erst einmal Teil des Werks, das in der Kirche St. Georg zu sehen ist. Die fast hundert Kilogramm schwere Installation verdeckt das Mosaik im Chorraum. »Es ist eine gute katholische Tradition, dass wir in der Passionswoche bis zum Karfreitag die Kreuze und Andachtsbilder in unseren Kirchen verhüllen. Unserem inneren und äußeren Auge sind sie als Zeichen der Erlösung und als Zeichen des Lebens für einen kurzen Moment lang entzogen“, erklärt Michael Heil, stellvertretender Stadtdekan und Pfarrer von St. Georg. Verhüllt ist das Altarmosaik in St. Georg nicht nur in der Karwoche, sondern die gesamte Fastenzeit über. Mit einem wesentlichen Unterschied: In der Mitte des Werks scheint der erhöhte Jesus als der österliche Christus hindurch. „Auf diese Weise bekommen wir einen kleinen Vorgeschmack auf Ostern, auch wenn uns der Blick auf die Erlösung als Ganzes verwehrt ist“, sagt Michael Heil. Glaube als wichtige Orientierung im Leben Die Künstlerin „muche“ hat das Werk der Gemeinde geschenkt, als Zeichen ihres Glaubens. „Nachdem in Deutschland immer mehr christliche Gotteshäuser entweiht oder auch abgerissen werden und jedes Jahr Hunderttausende Menschen aus der Kirche austreten, etwa weil sie Steuern sparen möchten, wollte ich ein deutliches Zeichen dagegen setzen.“ Die Künstlerin ist eng mit St. Georg verbunden und sieht ihren Glauben als wichtige Orientierung im Leben. „Der Glaube war zu allen Zeiten ein wesentlicher Grund für künstlerisches Schaffen.“ Entsprechend viele theologische Symbole und Anklänge finden sich in dem Werk. Die Karten sind mit fünf Klebepunkten gestaltet, die an die Wundmale Christi erinnern sollen. Das Mosaikherz steht für die unendliche Liebe Gottes und Jesu für die Menschen. Das blutende Herz für das furchtbare Leiden Christi am Kreuz. Die griechischen Buchstaben Alpha und Omega für den Anfang und das Ende in Gott. Und schließlich die 2600 Karten als Symbol für die Gemeinschaft im Glauben. Sie habe im Schaffensprozess viele wunderbare Momente erleben dürfen, sagt die Künstlerin und erzählt von der Begegnung mit einer Frau am Eingang der Domkirche St. Eberhard: „Erst hat die Frau mich abgewimmelt und gesagt, für so etwas habe sie keine Zeit. Am Ende des Abends kam sie mit zehn ausgefüllten Karten wieder, hat mich umarmt und sich bei mir bedankt, weil sie sich alle Sorgen von der Seele schreiben konnte.“ Die Installation wird im Osternachtgottesdienst abgehängt. Danach wird die Künstlerin die Karten nach und nach wieder aus den Hüllen holen, um sie dann ungeöffnet bis zum Osterfeuer im nächsten Jahr aufzubewahren. „Dann schließt sich der Kreis“, so „muche“.

Ausstellungen (Auswahl)

Kunstfreundschaften grenzenlos, Egg, Bregenzer Wald, PassionforArt, Artgebote
April 2024

muche – Passion for Art

Ausstellung „Artgebote – Kunstfreundschaften grenzenlos“

Egg, AT

April 2024
Glamour, Grauen, Schönheit, Schrecken
März 2023

muche – Wirtschaftsrat Baden-Württemberg

Ausstellung „Glamour, Grauen, Schönheit, Schrecken“

Stuttgart, DE

März 2023
Hell is empty
November 2021

muche – Tamschick Media+Space Lab

Ausstellung „Hell is empty, all devils are here“

Berlin, DE

November 2021
S-CH-EIN im Gewölbe_klein
Oktober 2021

muche – S-CH-EIN im Gewölbe

Reutlingen, DE

Oktober 2021
Art Market Budapest
Oktober 2020

muche – Art Market Budapest

Budapest, HU

Oktober 2020
Art Karlsruhe
Februar 2020

muche – Art Karlsruhe

Karlsruhe, DE

Februar 2020
o.T.
Dezember 2019

muche – Städtische Galerie Böblingen

Ausstellung „Netzwerkerinnen der Moderne – 100 Jahre Frauenkunststudium“ in Städtischen Galerie in der Zehntscheuer Böblingen, DE

Dezember 2019
Art Bodensee_IV
Juli 2018

muche – Art Bodensee

Dornbirn, AT

Juli 2018
Einladung GARP
Mai 2017

muche – GARP

Ausstellung „S-CH-EIN!“ im GARP-Bildungszentrum in Plochingen, DE

Mai 2017
o.T.
Januar 2016

muche – TAXGATE

Ausstellung „muche-art“ bei TAXGATE in Stuttgart, DE

Januar 2016
cherry
April 2015

muche – Langs Haus

Ausstellung im Atelier muche in Stuttgart, DE

April 2015
2011

muche – Frisierbar

Ausstellung in der Frisierbar Stuttgart, DE

2011
2010

muche – Tempus

Ausstellung im Tempus/ Haus der Geschichte in Stuttgart, DE

2010
2009

muche – Katharinenhospital

Ausstellung „Engel“ im Katharinenhospital in Stuttgart, DE

2009
2008

muche – VBKW

Ausstellung im Verband Bildender Künstler und Künstlerinnen in Stuttgart, DE

2008
2007

muche – Grasse

Ausstellung auf dem Place de la Poissonnerie in Grasse, FR

2007
2006

muche – Tannenstrasse

Ausstellung in der Tannenstrasse in Stuttgart, DE

2006
2003

muche – Voeux d’Artistes

Gruppenausstellung Voeux d’Artistes in Marseille, FR und in Aix en Provence, FR

muche – Verwaltungsgericht

Ausstellung „Monster und andere Zeitgeister 3“ im Verwaltungsgericht Stuttgart, DE

2003
2002

muche – Insomnia

Ausstellung „Monster und andere Zeitgeister 2“ bei Insomnia Stuttgart, DE

muche – Epicerie fine

Ausstellung in der Epicerie fine, Stuttgart, DE

muche – Wilhelmspalais

Ausstellung „Monster und andere Zeitgeister“ im Wilhelmspalais Stuttgart, DE

2002
2001

muche – Yellow Concept

Ausstellung im Yellow Concept in Gunzenhausen, DE

muche – Parkhotel

Ausstellung „Hotelgeister“ im Parkhotel in Ostfildern, DE

2001
1998

muche – Yellow Fish

Ausstellung im Yellow Fish in Dresden, DE

1998
1997

muche – Akademie der Bildenden Künste München

Gruppenausstellung in der Akademie der Bildenden Künste München, DE

1997
1996

muche – Mallorca

Ausstellung in Calvia, Mallorca, ES

1996